„Sie nannten es Lächeln“ – eine Kurzgeschichte zur Auflockerung des (Home) Office Alltags


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Uns ist eine kleine Geschichte begegnet, die wir Ihnen heute gern weiterleiten möchten – zur Auflockerung des (Home) Office Alltags, für die Kaffeepause zwischendurch, zum Aufmuntern und LÄCHELN… Wer möchte, kann sie (mit Nennung der Autorin) gern weitererzählen oder veröffentlichen.

Wir wünschen Ihnen viel Durchhaltevermögen, Gesundheit und Nervenstärke (vor allem, wenn Sie Ihr Übergangsbüro derzeit mit Partner oder Kindern teilen müssen ;-))

Bleiben Sie gesund und vergessen Sie nicht zu Lächeln – auch unter der Maske, denn die Augen lächeln mit.


Sie nannten es LÄCHELN…

eine Geschichte von Martyna Eder

„…sie konnte sein schräges Lächeln nie vergessen, in das sie sich bei ihrer ersten Begegnung sofort verliebt hatte…“ Corinna klappte ihr Buch vorsichtig zu und legte es auf den Tisch. Sie ging mit dem Taschenbuch ihres Großvaters sehr sorgsam um. Sie las nur zu Hause darin, weil man Taschenbücher in der Öffentlichkeit nicht lesen durfte: Wegen der Viren! Corinna schaute aus dem Fenster und dachte an die Zeit, als die Menschen noch keine Gesichtsmasken trugen und ihre Gefühle noch mit ihren Gesichtern ausdrücken konnten.

Sie fühlte sich gleichzeitig abgestoßen und fasziniert von dem Gedanken: Wie würde es sein, Vido „anzulächeln“, um ihre Zuneigung auszudrücken? Vielleicht war ja die heutige „Emo-App“ das Äquivalent zu diesem Ding namens „Lächeln“ von früher, dachte sie. Natürlich konnte man immer noch etwas zueinander sagen, aber die Leute benutzten normalerweise diese App, um Emotionen in Kürze auszudrücken und man konnte die fünf Meistbenutzten sogar speichern. Falls beispielsweise jemand fragte: Wie geht es dir?“ würde die App ein fröhliches Geräusch senden. Der Sound der App drückte auf diese Weise die Stimmung der Leute unkompliziert aus, ohne dass sie ihre Gesichtsmasken abnehmen mussten.

Corinna ist eigentlich meistens gestört durch Vidos fröhlichen Emo-Sound am Morgen, wenn er schon im Bad ist. Sie antwortet dann meist mit etwas weniger Fröhlichem, damit er wusste, dass sie immer noch müde, etwas knatschig und noch keine Lust auf Sprechen hatte. Das Gute an der App war, dass man über die App „Zuneigungen“ sammeln konnte. Zum Beispiel, wenn Corinna zu ihrem Lieblings-Cafe geht und der Barista schon weiß, was sie immer nimmt, ohne dass sie es bestellen muss. Sie konnte den „Zuneigungs-Button“ der App drücken und gleichzeitig wurde der Barista positiv bewertet. Das war natürlich auch umgekehrt möglich. Je mehr „Zuneigung“ sie auf ihrem Smartphone sammelte, umso höher stieg ihr sozialer Status.

Corinna war immer noch im Bademantel, schaute aus dem Fenster und dachte an die vergangenen Zeiten vor der Pandemie und vor dem „Lächeln“. Sie fand das faszinierend. Lächeln schien etwas dermaßen Einfaches zu sein.

Langsam stand sie auf, um sich anzuziehen. Als sie vor ihrer Garderobe stand, konnte sie sich wie üblich nicht entscheiden, welche Maske sie heute tragen sollte. Normalerweise wollte sie, dass ihre Maske zu ihren Schuhen, oder wenigstens zu ihrer Tasche passte, was manchmal nicht einfach war. Sie entschied sich für ihre neueste, auf die sie ziemlich stolz war, eine von Stella McCartney, die sie in New York gekauft hatte. Allein für diese würde sie heute wohl eine Menge Zustimmung ansammeln können. Zum Glück fand sie auch die passenden Schuhe. Beim Hinausgehen blieb sie vor dem Spiegel stehen und schaute sich an.

Sie stand eine Weile bewegungslos und dachte daran, wie sie wohl aussehen würde mit einem… Lächeln. Langsam nahm sie die Maske ab. Sie berührte ihren Mund, spürte ihre Lippen, sah sich an und erkannte, wie fremd ihr das eigene Gesicht war. Die meiste Zeit bekam sie ja nur ein Drittel davon zu sehen.

Langsam versuchte sie, ihre Mundwinkel zu bewegen. Du meine Güte, das ist aber mühsam, dachte sie, denn diese Muskeln hatte sie bisher noch nie bewegt.

Nach ein paar Minuten hatte sie es geschafft – sie lächelte sich selbst an. Oder wenigstens dachte sie, dass sie das tat. Und plötzlich überflutete sie ein Schwall von Glück und sie fühlte eine Leichtigkeit, die sie bisher nicht kannte. Es fühlte sich so gut an, dass sie nicht anders konnte, als laut aufzulachen.

Als sie sich im Spiegel sah, was sie von sich selbst verzaubert. So hatte sie noch niemals ausgesehen.

Corinna war so aufgeregt, dass sie hinaus lief und ihre Gesichtsmaske dabei vollkommen vergaß. Sie rannte die Treppe hinunter und auf die Straße direkt zu ihrem Coffee Shop. Schon beim Eintreten bemerkte sie Neynteen, den Barista: Er starrte sie an und ließ dabei fast eine Milchpackung fallen, die er gerade in der Hand hielt.

Als sie vor der Theke stand, blieb auch die Zeit für einen Moment stehen: Er starrte sie an, während sie nur lächelte.

Neynteen hatte noch niemals etwas so Schönes gesehen und er konnte fühlen, wie sich seine Mundwinkel hoben, als sie weiter und weiter einfach nur „lächelte…“

„Was ist das?“ fragte er sich.


Zur Autorin

Martyna Eder (38) ist gelernte Schauspielerin und Yogalehrerin in Berlin. Das geborene „Münchner Kindl“ aus einer Journalistenfamilie beschäftigt sich daher viel mit seelischen und körperlichen Befindlichkeiten ihrer Mitmenschen und Schüler, über die sie auch auf ihren FB-Seiten gern berichtet.

Eine einfühlsame Kurzgeschichte über die möglichen Folgen von Masken und Isolation fürs menschliche Zusammenleben…Die Geschichte entstand im Flieger vom Mumbai nach Frankfurt – Teil der Rückholaktion des Auswärtigen Amtes.